Der fünffache Rheinmarathon

02.07.2023 | Kategorien: ,

Fahrtenleitung: Paul Grant
Fotos: Carola Marcus, Andrea Lührs, Eva Maria Lange, Simone Brandenburg
Text: Simone Brandenburg

Das Rheingau, Teilstrecke unseres ersten Rudertages, fotografiert vom Niederwalddenkmal aus, das oberhalb von Rüdesheim liegt

238 km rudern in vier Tagen, geht das?

Die Fahrt ist ausgeschrieben von Donnerstag bis Sonntag auf dem Rhein von Wiesbaden-Biebrich bis Düsseldorf. 60 km im Tagesdurchschnitt sollen es sein. Wenn wir in den gesteuerten Vierern umschichtig auf dem Steuerplatz verschnaufen, reduziert sich das tägliche Ruderpensum um 20% von 60 km auf 48 km am Tag.
Wie stark unterstützt die Strömung ein solches Vorhaben? Laut Recherche fließt der Rhein mit “bis zu 10 km/h”. Das klingt doch ganz ordentlich (in der Realität waren es zeitweise nur 4 km/h). Dann kommt man wohl sogar in mit Übernachtungsgepäck beladenen Wanderbooten ans Ziel.
Klingt trotzdem ziemlich herausfordernd! Kann man das schaffen? Kann ich das schaffen?

Die Burg Pfalzgrafenstein ist eine auf einer Felseninsel im Rhein bei Kaub errichtete Zollburg, die auf Ludwig den Bayern, Pfalzgrafen bei Rhein und späteren römisch-deutschen König und Kaiser, zurückgeht. Sie diente nicht zu Wohnzwecken

Schlösser, Burgen und die Loreley

“Warum ist es am Rhein so schön?” singt eine alte deutsche Volksweise. Nun, wegen der Weinberge, der am Ufer aufragenden Felsen und bewaldeten Hügel mit pittoresken Schlössern, Burgen und Türmen, wegen der vielgestaltigen Kirchen und (Fachwerk-)Städtchen, durch die “Vater Rhein” sich vom Bodensee bis zur Nordsee schlängelt. Schon zur Römerzeit war der große Fluss ein bedeutender Wirtschaftsweg mit vielen Ansiedlungen an beiden Ufern.
Das Rheintal verspricht ein abwechslungsreiches Panorama zu präsentieren, während die Skulls oder Riemen Tausende Male am Tag aufgedreht, eingetaucht und durchgezogen werden. Die Zeit wird wie im Flug vergehen!
Der Monat Juni: Klug gewählt vom Fahrtenleiter! Weder sollten wir mit frostigen Temperaturen oder Dauerregen, noch mit brütender Augusthitze geschlagen sein (letzteres kam dann anders als erwartet).
Es könnte ein perfektes Abenteuer werden, denke ich im Februar, als ich mich anmelde.

Die Hamburger reisen mit der Bahn an

… und die Düsseldorfer und die Fahrtenleitung kommen mit dem Bootsanhänger nach Wiesbaden-Biebrich. Germania Düsseldorf leiht uns zwei gesteuerte Vierer: einen (Skull-)Seegig und einen (Riemen-)Inrigger, die wir am Morgen des ersten Rudertages aufriggern und stegabwärts zu Wasser bringen. Jeden Abend tragen wir sie von den Stegen unserer Übernachtungs-Gastgeber-Ruderclubs bergauf auf die Vereinsgelände und morgens wieder bergab.
Die Mannschaftszusammensetzung wechselt täglich, so dass jede und jeder mal mit jedem und jeder rudert und in beide Boote kommt. Sämtliches Gepäck inkl. Schlafsäcke und Lumas wird, wasserdicht verpackt, in den geräumigen Booten mittransportiert.

Rene und Andrea vor der Seilbahn bei Koblenz mit der Festung Ehrenbreitstein, einer seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Befestigungsanlage gegenüber der Moselmündung

Luma-Lager oder Hotel, ganz nach Gusto

Beides ist möglich, und beides wird genutzt. Acht der zehn Reisenden wählen das vom Fahrtenleiter vorab organisierte Übernachten in Bootshäusern oder Gymnastikräumen, zwei Ruderinnen organisieren sich Zimmer in nahegelegenen Pensionen oder Hotels.
Jeder erfolgreiche Rudertag findet seinen Abschluss beim gemeinsamen Abendessen auf der Terrasse eines nahegelegenen Restaurants. Wir lassen es uns gut schmecken und leeren manches Glas, bevor wir uns auf unseren Nachtlagern ausstrecken.

Achtung, motorisierter Berufs-Schiffsverkehr!

Zu den großen Unwägbarkeiten gehört die Berufsschiffahrt, die auf dem Rhein mit langen, breiten und schweren Schleppern, auch als Schubverbände, unterwegs ist. Uneinsehbare Kurven, Engstellen mit strudelnder Strömung, eine sich ständig ändernde Betonnung der Fahrrinne, flache Ufer, steile Felswände, Fähren, Auflugsdampfer – der Mittelrhein bietet vielerlei Herausforderungen, wobei die Berufsschiffahrt generell Vorfahrt hat und Ruderboote zusehen müssen, wie sie klarkommen.
Mit Paul Grant und seiner Rhein-Erfahrung sind wir jedoch dafür richtig gut aufgestellt. Dass drei weitere Rhein-kundige Düsseldorfer mit von der Partie sind, gibt uns zusätzlich Sicherheit. Ihre genaue Kenntnis der Strecke und vorausschauendes Navigieren machen die Risiken überschaubar.

Zu unserem Glück fällt die erste, schwierigste Etappe mit dem Binger Loch (schmal, strudelnd, Haarnadelkurve) und dem Loreley-Felsen (Gegenwind, Kurve) auf den Fronleichnams-Feiertag mit offenbar geringerem Transportaufkommen auf dem Wasser. Keines der vorab von den Obleuten angedachten Notmanöver muss eingeleitet werden. Lobend zu erwähnen ist, das zu keiner Zeit jemand im Boot Panik bekommt, sondern stetig und zuverlässig immer weiter gerudert wird.

Jetski-Rennen südlich von Köln

Ich will Spaß, ich will Spaß

Wenn man sich für das Rudern begeistert (das gerne mal als „Galeerensport“ verspottet wird), reist man ohne die Umwelt zu belasten, dennoch sind Begegnungen mit Enthusiasten des motorisierten Wassersports unvermeidlich. So auch an diesen 4 Rudertagen auf dem Mittelrhein. Je näher wir den Großstädten Köln und Düsseldorf kommen, desto mehr Jetski-Fahrer brettern laut knatternd mit Wahnsinnstempo um uns herum und an uns vorbei. Ja, jeder bespaßt sich auf seine/ihre Weise! An den Ufern lagern – offenbar freiwillig – Menschen in der prallen Sonne, während wir uns in unseren Ruderbooten bei 27-31 Grad nach ein paar Wölkchen oder ein bisschen Wind sehnen und uns bemühen, mit breitkrempigen Hüten, Sonnenschutzfaktor >50, langärmligen Shirts, Wasserbegießungen und vielen Trinkpausen den drohenden Hitzekollaps abzuwenden.

Köln voraus!

Geschafft – aber so richtig

Und zack, dann geht auch so eine Fahrt zu Ende. Die kürzeste Etappe an Tag 4, Sonntag: Die Strecke des Rheinmarathons, 42,8 km. Verglichen mit Tag 1 und 2 (das waren je rund 70 km) eine entspannte Tour. Dann Boote raus und reinigen, eine letzte gesellige Kaffeerunde mit großer Erleichterung und Dankbarkeit auf allen Gesichtern, Duschen im angenehm kühlen Souterrain des RC Germania Düsseldorf, zur Bahnstation, in den ICE und heim. Ankunft in Hamburg gegen 22 Uhr. Die meisten Mitruderer:innen gehen am Tag drauf zur Arbeit. Respekt! Ich möchte gern eine längere Pause, um mich zu regenerieren.

Einen großen Dank an den Fahrtenleiter Paul Grant und Kompliment für dieses sorgfältig durchgeplante Abenteuer!
Danke außerdem an alle Mitruderernden, die mich dank ihrer Erfahrung mit Zuversicht und Zuspruch inspiriert und vor dem Verzagen bewahrt haben.

Pausentage mit Sightseeing wären eine denkbare Variante

Da das Mittelrheintal eine Fülle interessanter Orte und Sehenswürdigkeiten bietet, könnte eine solche Fahrt gut mit eingeschobenen Pausentagen funktionieren, an denen man sich vom Rudern erholt und Sightseeing macht. Allerdings kommt man dann nicht mit 2 Urlaubstagen aus, sondern müsste sich eine ganze Woche freinehmen. Wer würde das wollen?

Letzte Kaffeerunde in Düsseldorf bei RC Germania

  • Das Niederwalddenkmal mit der "Germania" liegt oberhalb der Stadt Rüdesheim am Rhein. Zu seinen Füßen befinden sich die Weinlagen des Rüdesheimer Berges.  Das Denkmal soll an die Einigung Deutschlands 1871 erinnern
  • Die erste Übernachtung vor Beginn der Fahrt im Kraftraum der RG Wiesbaden-Biebrich
  • Nach einem kräftigen Frühstück geht es los
  • Nachdem die Boote abgeladen und aufgeriggert sind, lassen wir sie am Steg der RG Wiesbaden-Biebrich zu Wasser und verladen unser Gepäck
  • Die erste Tagesetappe geht vorbei am Mäuseturm, der kurz vor der engen Kurve am Binger Loch auf einer Insel im Rhein steht. Hier sind Ausflugsboote und andere Berufsschiffahrt unterwegs
  • Trotz des unruhigen Wassers und des heftigen Gegenwindes an der Loreley wird ganz kurz für ein Foto angehalten, dann geht es schnell weiter
  • St. Goarshausen nahe der Loreley entstand 1222 als Siedlung der Karolinger
  • Die Burg Pfalzgrafenstein ist eine auf einer Felseninsel im Rhein bei Kaub errichtete Zollburg, die auf Ludwig den Bayern, Pfalzgrafen bei Rhein und späteren römisch-deutschen König und Kaiser, zurückgeht. Ihre Aufgabe war die Einnahme des Schiffszolls
  • Erster Tag mit 71 km Ruderpensum geschafft! Ein ungeduschtes Bier auf der Terrasse von Germania Boppard bringt etwas Kühlung
  • Boppard, UNESCO-Weltkulturerbe, gegründet von den Römern zu Zeiten Cäsars, bietet neben vielen pittoresken Stadtansichten auch ein hervorragendes Abendessen für uns Ruderer im Weinhaus Römerburg
  • Brilliantes Sommerwettter, der Rhein fließt ruhig dahin – aber ein bisschen Schatten wäre ganz schön bei 27 Grad! Alexandra, Eva Maria, Monika und Paul im "Seeadler"
  • Das neugotische Schloss Stolzenfels wurde Anfang des 19. Jahrhunderts vom preußischen Kronprinzen zum Schloss ausgebaut. Die Anlage geht auf eine kurtrierische Zollburg aus dem 13. Jahrhundert zurück, die 1689 zerstört wurde.
  • Am Deutschen Eck in Koblenz steht ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Mündung der Mosel in den Rhein
  • Remagen wurde bekannt durch die am 7. März 1945 von der US-Army eingenommene Ludendorff-Brücke. Der Ort Remagen geht auf ein römisches Kastell zurück, das vor gut 2000 Jahren errichtet wurde
  • Die Ludendorff-Brücke bei Remagen wurde gegen Ende des 2. Weltkiegs durch US-Truppen erobert. Daraufhin sprengte die deutsche Wehrmacht sie. Der Brückenkopf ist heute ein Denkmal
  • Burg Katz, erbaut im 14. Jh., thront über St. Goarshausen. Am Ufer der Historische Stadtturm mit dem Loreley-Museum und das Industrie-Denkmal Häusener Kran von 1917
  • Eins haben alle Ruderclubs am Rhein gemeinsam: Sie liegen – hochwassersicher – erheblich oberhalb des Ufers. Das heißt: Nach dem Rudertag die Boote und das Gepäck bergauf schleppen für die nächtliche Lagerung und am nächsten Morgen alles wieder bergab
  • Rudertag 2 ist geschafft! Abendliche Runde im Restaurant Rheingarten 66, direkt neben dem Wassersportverein in Bad Honnef
  • Entspannter Abend am Steg. V.l.n.r. Fahrtenleiter Paul mit Rene, Lars, Andrea und Monika
  • Sommerabend an einem Nebenarm des Rheins
  • Das treue Inrigger-Holzboot schön auf Abstand halten, damit der Steg keine Schäden in der Bootswand verursacht
  • Lars' Rücken möchte gestreckt werden!
  • Wir sind in Köln! Bis zum Etappenziel des dritten Tages, Leverkusen, ist es nicht mehr weit!
  • Nach dem dritten Rudertag in praller Sommersonne gibt es nur ein Ziel in Leverkusen: Schatten!
  • So ein kühlschrankkaltes Weizen taugt auch gut zum Kühlen des Gesichts nach einem heißen Rudertag
  • Bei der Ruderriege des RTHC Bayer Leverkusen ist ein phantastisches Frühstück angerichtet am Morgen der letzten Etappe
  • Rene ist alle vier Etappen durchgerudert
  • "Es war meine 3. Rheintour und sicher nicht die letzte. Weinhänge, Burgen, Loreley, Deutsches Eck, Bonn und Köln vom Wasser aus rudernd zu betrachten war einfach schön. Mit den rheinerfahrenen Obleuten habe ich mich immer sicher gefühlt." (Eva Maria)
  • Auch Steuermann Uli von Germania Düsseldorf hat fertig