Im Inrigger von Hejsager nach Årø und Barsø
Dänemarkfahrt 23. – 26. Juni 2022
Fahrtenleitung: Eva Maria Lange · Text: Clemens Li · Fotos: Teilnehmer der Fahrt
Mit sehr viel Lebensmitteln im Gepäck machten sich drei Autos und acht Ruderwillige auf den knapp 220 km langen Weg von Hamburg zum Dänischen Hejsager Strand. Erst nach der Volksabstimmung 1920 wurde das nördliche Schleswig (mit Flensburg und Sylt) Deutschland, das südliche Jütland (Apenrade, Hadersleben, Insel Røm) endgültig Dänemark zugewiesen.
Im Deutschen Flensburg ist der Dänische Flensborg Roklub aktiv, entlang der Jütländischen Küsten haben sich im Nordschleswigschen Ruder-Verband fünf Deutsche Rudervereine in Dänemark zusammengeschlossen, so auch unser Gastgeber, der Deutsche Ruderverein Hadersleben. Vom Clubhaus mit Bootshalle im Zentrum von Hadersleben sind es über Land knapp 15 km zu unserer Unterkunft am Hejsager (Heisagger) Strand, 36 km über den Haderslev Fjord, eher eine Tagesetappe. Wäre eine Idee.
Eine geräumige Hütte mit zwei Zimmern mit Etagenbetten, einer bestens ausgestatteten Küche, Toilette, Duschen, Sauna, Bootsschuppen und unserem meistgenutzten Aufenthaltsort, der überdachten großen Veranda. Alles nur wenige Minuten vom Ostseestrand entfernt.
Im Bootsschuppen liegen die gesteuerten Inrigger Vierer Colonia (Baumgarten, Kunststoff, 2013) und der Zweier Günther Kasten (Odder Inriggerværft, geklinkertes Holz 2002).
Am Tag der Ankunft war kein Rudern vorgesehen. Eva Maria, Susanne, Jürgen, Andrea und Lars haben die “Nachzügler” Arne, Britta und Clemens fröhlich mit Aperol und Perlwein empfangen. Genug Zeit, die individuellen Quartiere für die Nacht vorzubereiten, den Bootswagen für den Transport zum Strand aufzupumpen (wir waren die ersten Gäste des Jahres!), alles Mitgebrachte einzuräumen und einfach auf der Veranda die Sonne zu genießen.
Beim abendlichen Ausflug zum Strand erlebten wir die Dänische Tradition, am Sankt-Hans-Aften, dem 23. Juni, die Sonnenwende zu feiern und auf dem Scheiterhaufen eine (symbolische) Hexe zu verbrennen.
Zurück im Quartier nahm der erste Gourmet-Abend seinen Lauf. Mitgebrachte Speisen, delikat und bestens vorbereitet, Eva Marias buntes Gemüse sei besonders gelobt, haben auch ohne die Auswahl an Bier, Rot- und Weißwein allen gehobenen Ansprüchen genügt.
Es wurde ein schöner langer Abend.
Freitag – erster von drei Rudertagen
Der Morgen bescherte uns ein ausgedehntes und an Vielfalt kaum zu überbietendes Frühstück im Sonnenschein auf unserer Veranda. Wir lernten, dass man Energie und Zeit spart, wenn man die Eier in einen Topf legt, mit Wasser den Boden bedeckt und dann mit Deckel erhitzt – für genaue Wassermenge und Kochzeit bitte Jürgen fragen.
Müsli, Joghurt, diverse selbst gekochten Marmeladen, Wurst, Käse, Nutella, Butter, Margarine – reichlich Auswahl für alle. Ausgeschlafen, gut gestärkt ging es dann knapp 300 m zum Wasser. Ein Inrigger-Ruderboot (auch bekannt als Seegig) ist erheblich breiter, robuster und schwerer als unsere Breitensportboote. Die Mannschaft sitzt zwar hintereinander, aber seitlich versetzt im Boot. Es gibt keine Ausleger, statt dessen ziehen die Rudernden ihren Riemen um die Dolle auf der gegenüberliegenden Bordwand.
Die Boote werden auf dem Wagen in das Wasser geschoben und dieser dann unter dem Boot herausgezogen. Wie jedes unserer An- und Ablegemanöver geht das nicht trockenen Fußes. Alle stehen unterschiedlich lang und tief im Wasser, bevor los gerudert wird.
Bei auffrischenden östlichen Winden machten wir uns auf zur südöstlich gelegenen Insel Barsø. Es zeigte sich schnell, dass der Zweier erheblich besser mit Wind und Welle klar kommt als der Vierer. Die Boote sind gedeckt und haben unter den Luken vorn und hinten jede Menge Stauraum. Während der Zweier gut über jede Welle schaukelt, kommt beim Vierer doch ab und zu das Wasser über die viel längere Bordwand. Und das nicht nur, weil unser Kunststoff-Vierer von Baumgarten Bootsbau in Warin gebaut wurde. Baumgartens bekannte C-Gig-Boote sind eher für ihre guten Eigenschaften bekannt.
Einiges können die Steuerleute wettmachen, aber Pumpen und Schöpfgefäß und Schwamm waren berechtigt und notwendig. Es war windig, aber sonnig. Entlang der teils waldigen, teils grünen Küste vorbei an herrlichen Sandstränden war das erste Stück bis zum Anlanden irgendwo am Strand von Sønderballe dank Wind und Welle schon eine Herausforderung. Die in der Karte verzeichneten Steine sind ein Hinweis. Entscheidend sind das wache Auge und immer ausreichend Abstand zum flachen Wasser vor der Küste. Ein erkennbarer Badestrand lässt steinfreies Anlegen erwarten – eine Garantie gibt es nicht.
Und damit die Boote sich nicht mit der nächsten Welle selbstständig machen, muss man sie mit vereinten Kräften einige Meter auf den Strand hochziehen.
Die ursprüngliche Absicht einer Umrundung der Insel Barsö haben wir wetterbedingt aufgeben müssen. An dieser Stelle ist der kleine Belt zwischen Jütland und Fünen besonders breit und der Wind schaukelt die Wellen unangenehm hoch.
Wir sind dann lieber in ruhigeres Wasser in die Genner Bucht gefahren, an deren Ende uns Strand und Hafen, auch ein schattiges Plätzchen und ein Toilettenhäuschen erwartete. Picknick bei bestem Wetter und sommerlichen Temperaturen.
Der Rückweg machte uns näher bekannt mit den Tücken der Ostsee. Wir waren nicht lange aus der Genner Bucht raus, da wirkten die Wolken am nicht mehr so weit entfernten Horizont schon etwas bedrohlich, dunkel und mit rötlicher Farbgebung. Und der zuvor frische Wind nahm urplötzlich kräftig zu und binnen Minuten war das ganze Meer von Schaumkronen übersät.
Nicht ganz einfach, in der Situation die Ruhe zu bewahren und die passende Stelle zum Anlegen zu finden. Wir landeten fast genau dort, wo wir auf der Hinfahrt pausiert hatten, und tatsächlich ließ der Wind bald nach und das Wetter drohte nicht länger. Nach einer guten halben Stunde ging es dann eher friedlich zurück. Nicht ganz einfach, aus der Ferne die ’heimatliche’ Anlegestelle auszumachen. Sollte man sich auf unbekannten Gewässern nach dem Ablegen gut einprägen.
Wir haben es geschafft und die Boote per Bootswagen zurück zur Hütte gebracht. Alle hatten ausreichend Hunger, um die große Pasta-Tafel des Abends zu genießen. Dass zwei Kilo Pasta für acht Personen mit reichlichst Bolognese, Carbonara und (speziell für Marc, dem die Gesundheit kurzfristig die Reise gestrichen hatte) Spinat-Gorgonzola-Sahne-Sauce dann doch etwas zu reichlich bemessen waren, gehört zu den Lernfortschritten dieser Fahrt. Zum Glück passte ein Nachtisch (rote Grütze mit Vanille) immer noch – wahrscheinlich auch, wenn es weder Bier und Wein noch einen edlen Aquavit dazu gegeben hätte.
Sonnabend – auf gen Norden
Zum Frühstück am Samstag wieder die von Jürgen gewohnt perfekt gekochten Eier und alles Weitere wie schon am Vortag. Dazu natürlich auch Benimmregeln und das separate Buttermesser, weitere Gelegenheit zum Probieren ungewohnter Marmelademischungen und beste Laune am sonnigen Tisch auf der Veranda.
Weise eingeteilt war die deutlich kürzer geplante Tagesstrecke nach Norden zur Insel Årø. Zwei Autos wurden am Ziel, dem Årøsund Havn abgestellt, während in Heisagger aufgeräumt und die Boote vorbereitet wurden. Beim Transport der Colonia zum Strand sackte plötzlich der Bootswagen weg. Altersschwäche hatte an der Achse genagt und ein Rad stand plötzlich nicht mehr senkrecht, sondern eher im Winkel von 45 Grad. Vorsichtig weiter schieben ging noch, nur war die Stelle zum Einbringen ins Wasser durch einen SUV mit angehängtem Motorboot blockiert. Nun ja, auch ein Vierer Inrigger.
Bei mäßigem Wind aus östlichen Richtungen ging es entlang der nicht sehr hohen Steilküste zuerst um die Landzuge mit dem Schießübungeplatz Halk Skydeterræn herum. Bei Schießübungen (angezeigt durch einen großen roten Ball) kann man hier nicht rudern, das war aber vorab über Internet und Telefon geklärt. Die Küste sieht hier praktisch unbewohnt aus, entlang des etliche km langen Strandes hat man zum Anlegen freie Auswahl, muss im flachen Wasser an der Küste sehr genau auf Steine achten. Die lassen sich mit bloßem Auge kaum von Seetang unterscheiden.
Wir hatten Glück und konnten unweit des landeinwärts gelegenen Bankelsees (Bankel Nor) anlegen und bei schönstem Wetter Bananen und Kuchen genießen.
Die weitere Fahrt in Richtung der Insel Årø verlief störungsfrei. Je weiter wir in den Årøsund hinein fuhren, umso mehr ließen Wind und Welle nach. Wir haben uns der Küste mit dem Leuchtturm von Årø genähert, konnten aus der Entfernung aber weder die 5.600 Weinstöcke noch Dolmen oder einen der 138 Einwohner identifizieren. Von Dolmenen genannten kleinen Inseln war die Rede, gemeint ist wohl die Megalithgrabanlage „Årø Runddysse“, ein so genannter Dolmen.
Eine Umrundung der Insel wäre schon wegen der unter Naturschutz stehenden Nehrungen auf der Ostseite interessant. Wir wären auf dem offeneren Meer wieder stärker Wind und Wellen ausgesetzt, es war ein recht heißer Tag und etwas Kondition sollte für den Sonntag noch übrig bleiben.
Also legten wir auf dem Jütländischen Festland unweit des Årøsund Havn an, sicherten die Boote und verstauten alles außer den Riemen in die beiden Autos. Wir kamen am Haus von Povl Maier vorbei, einem dänischen Ruder-Urgestein und Vorsitzenden des Haderslev Roklub – er hatte uns die Lagerstätte für die Boote vermittelt und hielt uns kurz im angemehmen Schnack auf. Eine Viertelstunde später waren wir zurück in unserem Quartier.
Nach ausgiebigem Duschen und Saunieren erfüllte der Grill-Abend auf der Veranda höchste Ansprüche und niederste Bedürfnisse. Grillmeister Jürgen zeigte uns sein Können und der Alkohol tat das Seine. Zum Abnehmen eignete sich diese Wanderfahrt eher weniger.
Sonntag – Rückkehr nach Hejsager und Hamburg
Am Sonntag ging es nach dem gewohnten Luxusfrühstück mit Bootsgepäck und Zubehör per Auto nach Årøsund Havn. Die Boote waren schnell klar gemacht und die Heimreise war ein Vergnügen. Schönwetter-Wolkenformationen am Horizont regten die Phantasie zu wildesten Spekulationen an. Die Steilküste war auf den ersten Kilometern durchlöchert – die oberen kleinen Löcher Wohn- und Brut(?)-stätte von Vögeln, die großen hätten vielleicht auch einer Bärenfamilie gefallen. Falls es dort wirklich Tiere geben sollte, hatten diese sich nicht dem prallen Sonnenlicht und einer Beobachtung durch uns ausgesetzt.
Mit Pause am Strand waren wir gegen Mittag wieder zurück an unserer Anlandestelle von Hejsager. Viel Zeit, beide Boote mit dem Bootswagen der “Günther Kasten” zur Hütte zu bringen und Boote und Haus gründlichst zu reinigen. Angelika Feigel, Vorsitzende des gastgebenden DRH (Deutscher Ruderverein Hadersleben) hatte uns am Anreisetag besucht, in die Besonderheiten von Hütte, Booten und Dänischen Gebräuchen eingewiesen. In der letzten Juniwoche ist in ganz Dänemark Abitur und die Schulabgänger werden zu Studenten, die auf gemieteten LKW feiernd alle Mitschüler besuchen, um mit Ihnen zu trinken. Das konnten wir an mehreren Tagen beobachten.
Nicht nur, um sie zufriedenzustellen, sondern auch, weil ARV-Wanderrudernde es gar nicht anders kennen und können: Stemm- und Bodenbretter sowie Sitze wurden ausgebaut, die Ablassschrauben herausgedreht, alles abgespritzt und gewischt, Restwasser mit Schwamm entfernt, alles zusammengebaut und die Boote in praktisch neuwertigem Zustand hinterlassen.
Mit Akribie wurden auch alle Räume der Hütte gereinigt, ausgesaugt und in Bestzustand hinterlassen, der Socken im Staubsaugerschlauch fachgerecht entsorgt. Bei geringem Verkehr waren alle bis zum späten Nachmittag wieder zu Hause.
Eine sehr schöne und rundum gelungene Fahrt – wir sind froh über unsere engagierte Fahrtenleiterin und alle Teilnehmer, die zum Gelingen beigetragen haben.