Wie rudert es sich eigentlich auf einem Fjord?

15.09.2022 | Kategorien: ,

Fahrtenleitung: Arne Thurich · Text: Margit Sonntag · Fotos von Markus Morick, Vero Dörnte u.a. Teilnehmern

Um Arne formierte sich auf diese große Frage hin eine Gruppe, die ihn dabei begleiten würde, vor Ort in Norwegen die Antwort darauf zu finden. Die Mitglieder sollten nicht nur mitrudern, sondern sich vorab planend mit einbringen.
Nach ersten bildstarken Orientierungsgoogeleien auf Websites norwegischer Touristeninformationen, Fragen nach dem Wohin und vor allem, mit welchen Booten, gab es den ersten großen Etappensieg durch eine E-Mail von Terje vom Roklubben in Stavanger, der zwei Innenrigger Riemenzweier zum Ausleihen anbot.
Damit stand das Ruderrevier quasi fest: der Lysefjord. Er liegt zwei Tagesetappen von Stavanger entfernt, ist selber ca. 40 km lang und verhindert durch eine Brücke, dass Kreuzfahrtschiffe ihn befahren.
Das Internet half bei der Etappenplanung und Suche nach etwaigen Lande- und Zeltplätzen, Versorgungsmöglichkeiten entlang der Route und, als die Termine feststanden, auch bei der Buchung der Anreise.

Sechs Monate Vorlauf

Im Laufe der sechs Monate Vorlauf atmete die Gruppe einige Mitglieder aus und ein neues ein. Sie bestand ab Anfang Januar 2022 aus Arne, Uwe, Vero, Markus und Paul, ergänzt für jeweils eine Woche durch Lars bzw. Margit. Durch den Wechsel des Bootsplatzes ergab sich eine Art Begleitfahrzeug, das in Lysebotn, am Wendepunkt der Tour im Fjord, einen Nachschubeinkauf mitbringen konnte und hier und da fehlende Dinge aus Küche und Kühlschrank zauberte sowie für Regenunterstand oder Shuttlefahrten zwischen Zeltplatz, Hafen und/oder Fuß der Wanderungen sorgen konnte. Ria und Gunter nahmen schon in der Planungsphase vom Mitrudern im Kajak Abstand, bekochten uns aber nach unserer Ankunft in Stavanger und standen uns per Signal-Gruppe immer mit Bildern von ihrem Angel- und sonstigem Ferienglück bei.

Aber bevor wir wirklich in Stavanger vor dem Roklubben sitzen konnten, mussten noch viele, viele weitere Fragen geklärt werden. Ein Ausrüstungscheck hatte sich bei der ein oder anderen Wanderfahrt mit Zelten angeboten. Kocher, Wassersäcke, welche Schuhe, Wolle oder Gore, wieviel Platz ist eigentlich in den Luken der Boote, braucht es Anker, gibt es Tide, wer kocht wann was, woher kommt das Bier und haben wir genug SCHOKOLADE?

Zum Start schönstes Wetter in Stavanger

Als sich dann an einem Samstag Mitte Juli alle Beteiligten in Stavanger am Roklubben einfanden, war schönstes Wetter und wir durften das Bootshaus ganz exklusiv für zwei Tage zum Übernachten und Kochen sowie für unsere unmittelbaren Reisevorbereitungen nutzen. Zur Begrüßung gab es Krabben, Krebse und Kaneelknuten von Lars und Margit, und Arne beglückte die Truppe abends mit einem Rentiergulasch.

Das schöne, alte, dänische Holzboot, das uns neben einem Plastikboot zur Verfügung gestellt werden sollte, wurde nach einem Jahr auf dem Trockenen endlich mal wieder zu Wasser gelassen. Vorher mussten wir aber den abgestürzten Steg vor dem Club an die Kaimauer holen und festzurren.
Unser Holzboot zog ganz ordentlich Wasser und erwies sich nach einer Nacht im kleinen Sportboothafen als eingeschränkt ruderbar. Terje half uns mit einer kleinen Pumpe aus.
Die Crew der ersten Woche startete am Sonntag Nachmittag bei strömendem Regen in Richtung Tingsholmen, einer Insel vor den Toren Stavangers, wo eine Nacht im Zelt und der erste Lagerfeuerabend bei spätem Sonnenuntergang und inzwischen trockenem Wetter die erste Etappe beendete. Fast das gesamte Gepäck fand in dem anderen Boot Platz!

Der erste Blick? Atemberaubend!

Nach zwei Tagen war die Truppe im Lysefjord angekommen.

Die Übernachtung in Flörli, das etwa auf der Mitte des Fjordes liegt und wo es ein ehemaliges Wasserwerk zu bestaunen gibt, beinhaltete eine Wanderung über 4444 Stufen einer Holztreppe, um endlich den Fjord auch von oben zu betrachten.

Die nächste Etappe führte nach Lysebotn, gefühlt das Ende der Welt, denn das Örtchen ist nur mit dem Boot, oder über eine supersteile Serpentinenstraße zu erreichen. Es besteht aus einem Campingplatz, einer handvoll Häuschen, einer Hütte des norwegischen Alpenvereins und einer Basis für Basejumper, die ihren halsbrecherischen Flug per Fallschirmlandung direkt auf dem Campingplatz beenden. Dorthin wo sie starten, wollten wir unbedingt wandern und einen großen Schritt auf den eingeklemmten Boulder am Kjerag wagen.

Ab Lysebotn traten wir gefühlt unseren Rückweg an und Norwegen zeigte sein wankelmütiges Klima. Unsere ursprüngliche Planung musste in Forsand, das am „Ausgang“ des Lysefjords liegt, wegen Wind, Welle und Regen geändert werden: Wir blieben ein paar Tage vor Ort. Der erste Tag in Forsand wurde zu einer Tagesrudertour, um einen Blick in den Frafjord zu werfen. Pauls Angelglück trat leider immer noch nicht ein, obwohl wir aus den Booten mehrfach Lachse springen sahen und die ein oder andere Robbe ihren Kopf aus den Wellen streckte. Der zweite Pausentag wurde von einigen zu einer Regenwanderung genutzt, aber am dritten Tag ging es wieder los.

Bei ordentlich Gegenwind und ziemlichen Wellen wurden die ersten 15 km sehr lang und in der Mittagspause zeigten selbst die fittesten Ruderer die ersten Anzeichen von Erschöpfung. Wir landeten auf einer Insel vor Jörpeland an. Unser Begleitfahrzeug war auch in der Nähe und übernahm den Shuttledienst zu dem „Must-see“ für Lysefjordreisende: dem Preikestolen.

Am berühmten Preikestolen

Nach so viel Zeit im Boot und auf wilden, einsamen Plätzen war der Gänsemarsch zwischen Massen von Touristen auf dem Wanderweg dorthin ein kleiner Schock, aber der Blick vom Felsplateau auf den Lysefjord war es trotzdem wert.

Zwei weitere, eher kürzere Etappen führten uns mit erneutem Stopp in Tingsholmen zurück zum Roklub Terje Viken in Stavanger.

Geschafft!

Unser Dank geht als erstes an Terje, der uns die Boote zur Verfügung gestellt hat, uns das Clubhaus überließ und uns ansonsten auch mit der Empfehlung für Tingsholmen und der Pumpe gut zur Seite stand. Danke an Arne, unseren Impulsgeber und Fahrtenleiter und an Paul, dessen Expertise im Wanderrudern und Bootskunde sehr geholfen hat.

Eine tolle Mischung aus Rudern, Wandern und ja… auch Schlemmen und gemütlichem Beieinander ist diese Reise gewesen und wir kommen mit tollen Eindrücken vom Lysefjord und vielen Erkenntnissen zum Wanderrudern zurück.

Erkenntnisse

Diese wären:
  • Campen und draußen Kochen erfordert viel Gepäckplatz im Boot.
  • Die Etappen sollten nicht zu lang sein, denn Auf- und Abbau, Be- und Entladen der Boote und Zubereitung des Essens erfordert einiges an Zeit.
  • Material- und Essensplanung ist inclusive Mengen und Verteilung der täglichen Zuständigkeiten unabdingbar, wenn keine Versorgungsmöglichkeiten entlang der Route gegeben sind.
  • Die Routenplanung muss, wenn das Ruderrevier in Skandinavien liegt, unbedingt Luft für Änderungen lassen, denn Wetter, Wind und Welle können das Rudern erschweren und dann ist es gut, wenn kein Druck auf dem Fahrtenleiter ist, unbedingt weiter zu fahren. Sicherheit geht vor!
  • Wandern und Rudern ergänzen sich prima und es ist ein großartiges Erlebnis den Fjord vom Wasser und vom Gipfel aus kennenzulernen.
  • Bier und Schokolade reichen nie aus und müssen unbedingt bei den Versorgungsposten nachgecatert werden, dann klappts auch mit der guten Laune!